“Sie blicken optimistischer in die Zukunft”
Sie haben im Krieg ein Bein oder einen Arm verloren. Jetzt spielen sie im Don Bosco Amputierten-Fußballteam. Pater Mykhailo Chaban SDB erklärt, warum der Sport eine wichtige Rehabilitationsmaßnahme ist. Die jungen Männer schauen jetzt mit Zuversicht in die Zukunft. Pater Mykhailo Chaban SDB leitet in der westukrainischen Stadt Lviv ein Waisenhaus und koordiniert seit Kriegsausbruch die Flüchtlingsarbeit. Der 47-Jährige kommt 2023 auf die Idee, eine integrative Fußballmannschaft zu gründen. Damit will er jungen Kriegsversehrten Hoffnung schenken und ihnen eine Perspektive für die Zukunft geben.
Warum ist der Fußball für Kriegsversehrte so wichtig?
Fußball ist eine wichtige Rehabilitationsmaßnahme. Im Sport können die jungen Männer vieles vergessen. All die Tragödien, die sie erlebt haben. Der Sport inspiriert sie und gibt ihnen die Willenskraft zurück zu kämpfen, vorwärts zu gehen und nicht zu verzweifeln. Im Sport haben sie Ziele, die sie gemeinsam mit den anderen Spielern erreichen wollen. Man kann tatsächlich sehen, wie sie sich durch das regelmäßige Training verändern. Sie blicken optimistischer auf ihr Leben und in die Zukunft. Der Sport hilft ihnen, ihr Leben zu bewältigen.
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Unser Trainer lud einen Fußballspieler in unsere Mannschaft ein. Er kannte ihn von einer lokalen Meisterschaft. Der junge Mann hatte durch den Krieg sein Bein verloren. Für ihn war sein sportliches Leben damit zu Ende. Jetzt trainiert er mit unserer Amputierten-Fußballmannschaft. Für einige ist das ein neuer Lebensabschnitt. Besonders für junge Männer wie ihn, die vor ihrer Verletzung sportlich waren und Fußball spielten. Für sie ist die Amputation das Ende von allem. Er sagte mir: "Ich wollte meine Sportschuhe an den Nagel hängen und nie wieder Fußball spielen. Aber als mir gesagt wurde, dass ich weiter Sport treiben kann, aber nur auf eine andere Weise. Da habe ich wieder Hoffnung gehabt.“ Seine Aussage inspiriert viele Menschen mit dem gleichen Handicap.
Was war der Auslöser für die Gründung des Amputierten-Fußballteams?
Die Idee kam uns, als wir letztes Jahr bei einem Fußballturnier in der Schweiz waren. Jeder Verein musste eine integrative Fußballmannschaft stellen. In der Mannschaft von Olympique Marseille spielten Fußballer mit, die Gliedmaßen verloren haben. Als ich das sah, wurde mir klar, dass dieser Sport für die Ukraine sehr wichtig ist. Denn viele junge Männer kommen versehrt aus dem Krieg zurück. Ihnen wurde ein Bein oder ein Arm amputiert. Der Amputierten-Fußball hilft ihnen und eröffnet ihnen neue Perspektiven. Tatsächlich sind wir von Don Bosco die ersten in der Ukraine, die eine integrative Fußballmannschaft für Menschen mit Amputationen gegründet haben.
Warum ist es so wichtig, Kriegsversehrte zu reintegrieren?
Die ehemaligen Soldaten haben uns und unser Land verteidigt. Vor dem Krieg führten sie ein ruhiges, normales Leben. Jeder von ihnen hatte einen Job und eine Arbeit. Sie mussten von heute auf morgen ihr bisheriges Leben hinter sich lassen. Sie haben viel aufgegeben, um ihre Familien zu verteidigen. Und es ist unsere Pflicht als Ukrainer, sie wieder in die Gesellschaft zu integrieren, ihnen zu helfen, ein normales Leben zu führen. Sie müssen sehen und spüren, dass sie respektiert werden, dass man sie braucht und dass man sie unterstützt – moralisch, psychologisch und auch spirituell.
Was ist ihr langfristiges Ziel?
Die jungen Männer kehren nach zwei Jahren bei uns in Lviv wieder in ihre Heimatstadt zurück. Dort können sie dann einen Amputierten-Fußballverein gründen. Und dadurch andere motivieren, mitzumachen. Jede Stadt in der Ukraine sollte eine Amputierten-Fußballmannschaft haben. Wir wollen unbedingt an der polnischen Meisterschaft im März 2024 teilnehmen. Alle Spiele werden auf Youtube gezeigt. So können sich das viele Menschen anschauen. Menschen mit Amputationen werden dadurch inspiriert, auch Fußball zu spielen. Das ist genau unser Ziel: diese Sportart im ganzen Land zu fördern und zu bewerben.
Das Interview wurde im Februar 2024 geführt.