Indien: Jungs mit Schutzmasken

Don Bosco im Einsatz gegen Corona

Viren und hochinfektiöse Krankheiten machen nicht Halt vor Ländergrenzen – und gefährden das Leben der Schwächsten: Straßenkinder, Arme, Kranke, Alte, Hungernde. 

Ausgebremst beim Start ins LebenDie Corona-Pandemie und ihre Folgen

Das Coronavirus hat die ganze Welt ins Wanken gebracht. Nichts ist mehr, wie es war. Für Don Bosco bleibt die Frage, wie es in einer Welt im Corona-Würgegriff vor allem für die junge Generation weitergehen kann. Welche Auswirkungen hat dieses Leben im Stillstand für junge Menschen an entscheidenden Wendepunkten: Auf dem Weg zum Schulabschluss oder beim Start ins Berufsleben? Wir haben den Nothilfekoordinator des Don Bosco Network Pater MC George, bei dem alle Fäden der Hilfe in dieser globalen Krise zusammenlaufen, dazu befragt.

Wie hat die Corona-Pandemie das Leben vieler junger Menschen verändert?

Viele Kinder und Jugendliche haben nach der ersten Freude über den ausfallenden Unterricht schnell das Ausmaß der Krise erkannt: Alle digitalen Tools, wenn es sie denn vor Ort gibt, können die Freunde nicht ersetzen. Auch der digitale Unterricht kann nicht alle Schritte des individuellen Lernens auffangen. Vielerorts gab es diesen auch gar nicht. Ganze Schuljahre sind mittlerweile verloren gegangen. Dadurch sind nicht nur kurzfristige Pläne und Träume geplatzt. Weit schwerwiegender ist es, dass auch die langfristigen Pläne nun zu scheitern drohen. Schülerinnen und Schüler, Azubis, Studierende – sie alle standen auf einmal vor der Herausforderung, in ihrer vorsichtigen Lebensplanung ausgebremst zu sein. Denn Eltern haben ihre Jobs verloren, das Geld wird knapp. 

Was heißt das für die jungen Leute?

In Krisenzeiten, in denen Familien ums Überleben kämpfen, wird zuerst an der Bildung der Kinder gespart. Ihre Arbeitskraft und Zeit wird gebraucht, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Wir müssen mit aller Kraft verhindern, dass dies nun so bleibt! Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat vor kurzem eine erschreckende Zahl genannt: Die Zukunft von nicht weniger als einer Milliarde Kinder und Jugendlicher ist in Gefahr! Unsere Sorge bei Don Bosco bleibt in dieser Pandemie, wie wir unserer Zielgruppe, den geografisch, ökonomisch und sozial Abgehängten, weiterhin alle Möglichkeiten geben können, sich zu entwickeln. Wir müssen sicherstellen, dass sie nicht zurück in das tiefe Loch fallen, aus dem sie sich vielleicht gerade erst gekämpft haben. Wir müssen sie finanziell, technisch und seelisch unterstützen, damit sie ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen können.

Gibt es etwas, das sie nicht erwartet hätten?

Ich bin beeindruckt davon, wie viele Kinder und Jugendliche eine erstaunliche Widerstandskraft und emotionale Stabilität besitzen. Oft beweisen sie diese zum wiederholten Mal in ihrem Leben, kommen die meisten unserer Schützlinge doch aus oft lebensgefährdenden Situationen und besitzen doch einen unerschütterlichen Glauben an eine gelingende Zukunft. Sie erleben gerade, dass sie dem Virus körperlich besser gewachsen sind und mit ihrer Energie zu dem geworden sind, zu dem Don Bosco sie immer machen wollte: zu Agenten des Wandels und zu engagierten Mitgliedern der Gesellschaft. Sie sind stark für die Schwachen, übernehmen Verantwortung, gestalten Gemeinschaft und werden nicht müde, die Mächtigen zu ermahnen. Sie tun das mit ihren eigenen Mitteln – wir müssen ihnen dabei zur Seite stehen und sie ernst nehmen. 

Du hast gespendet, wir haben angepackt Ein Beispiel für unsere Corona Nothilfe

Gerade die Armen und Schwachen Indiens sind am härtesten von der Corona-Pandemie getroffen. In den Slums der Ballungsräume ist es eng und schmutzig. die Menschen können die Hygieneregeln kaum einhalten. Jede und jeder zweite hat hier die Antikörper im Blut, bei den durch Hunger und Krankheiten geschwächten Körpern ist eine Infektion lebensbedrohend. Auch für die Familien der Infizierten und Verstorbenen. Denn oft hängt das Familieneinkommen an einer Person, die sich meist als ungelernter Tagelöhner, Wander- oder Hilfsarbeiter verdingt. Sie kämpfen ums Überleben. Wie wir ihnen dank deiner Spende dabei geholfen haben, zeigen wir dir an einem Beispiel aus dem Bundesstaat Tamil Nadu.

Das Projekt:

Nothilfe für Tagelöhner, Wanderarbeiter und Seniorinnen und Senioren durch Lebensmittelpakete und Hygieneartikel in der Covid-19-Pandemie / Tamil Nadu, Indien

Projektnummer: INM 20-073
Fördersumme: 53.570 Euro – dank privater Spendender und dem Verein LVM Helfen verbindet Menschen e. V.

1. Projekthintergrund

Die vollständige Ausgangssperre zu Beginn der Corona-Pandemie brachte die Wirtschaft Indiens über Wochen komplett zum Stillstand. Millionen indischer Wanderarbeiter und Tagelöhner wurden über Nacht arbeits- und obdachlos. Ohne Geld und Arbeit machten sie sich aus den Städten auf den Weg in ihre Heimatdörfer – oftmals zu Fuß, weil es weder Bus- noch Bahnverkehr gab. Sie können ihre Mieten nicht mehr zahlen oder Lebensmittel kaufen. Für diese Gruppe von Menschen und ihren Familien sowie für Senioren, die infolge der Pandemie akut von Hunger bedroht waren, organisierte unsere Partnerorganisation SURABI mit Sitz in Chennai (Tamil Nadu) Hilfe. Mitarbeitende und freiwillige Helfer wurden in Präventionsmaßnahmen geschult und mit Schutzkleidung (Mundschutz, Handschuhe, Desinfektionsmittel) versorgt, um Lebensmittel und Hygienekits zu verteilen.

2. Projektplanung

3. Änderungen gegenüber der ursprünglichen Projektplanung 

Der Aufbau von beweglichen Abschirm-/Trennvorrichtungen im Alten- und Pflegeheim konnte nicht realisiert werden. Die Zahl der Infizierten erforderte strengere Hygiene- und Quarantänevorschriften, denen wir gerecht wurden.

Über die unmittelbare Sicherstellung der Grundversorgung (Ernährung, Wasser) hinaus unterstützte SURABI vor Ort 576 Menschen durch Arbeitsmöglichkeiten und Einkommen. Im sogenannten „Cash for Work Programme“ haben Wanderarbeiter und Tagelöhner kleinere Arbeiten für die Gemeinde erledigt, z.B. Abfall entsorgt, Straßen gereinigt, Obst- und Gemüsegärten angelegt, Hilfspakete gepackt und Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten durchgeführt. Sie haben dadurch nicht nur den Lebensunterhalt für ihre Familien, sondern sich auch das Ansehen der Bevölkerung verdient.

4. Erreichen der angestrebten Projektziele

5. Kosten

Lebensmittelpakete & Hygieneartikel
für 1.769 Familien
22,10,917 INR28.345 €
Gekochte Mahlzeiten & Hygieneartikel
für 800 Wanderarbeiter
2,40,252 INR3.080 €
Säuglingsnahrung-/milch für 200 Babys und
spezielle Hilfspakete an 247 Kinder
99,475 INR1.275 €
Versorgung von 85 Senioren mit Nahrung
und Hygieneartikeln
2,89,790 INR3.715 €
Durchführung des Cash for Work Programmes
für 576 Menschen
7,91,050 INR10.140 €
Koordinations- und Verpackungskosten3,32,408 INR4.260 €
Medizinische Schutzausrüstung, Transportkosten
für Freiwillige
40,606    INR520 €
Projektbegleitung & Monitoring Don Bosco Mondo 3.968€
Gesamtkosten:                                                                                              55.303 €

(Wechselkurs: 1 Euro = 78 INR)

Don Bosco hilft Indienweit

Das Don Bosco Network hat in Indien mehr als eine Millionen Menschen mit einer Mahlzeit versorgt und hunderttausende Lebensmittelpakete verteilt. Dem globalen Netzwerk gehören 354 Don Bosco Nichtregierungsorganisationen an.

"Don Bosco Solidarity COVID 19”

Don Bosco Mitarbeitende und Freiwillige verteilten bis Mitte Mai mehr als 400.000 Schutzmasken. Im Rahmen der Kampagne “Don Bosco Solidarity COVID 19” wurden zudem die verwundbarsten und ärmsten Menschen für Schutzmaßnahmen sensibilisiert und medizinisch versorgt. Zu den Gruppen gehören Flüchtlinge, Obdachlose, Wanderarbeiter, Slumbewohner, Rikschafahrer und Tagelöhner mit ihren Familien. Auch psychologische Hilfe wurde angeboten. Die Don Bosco Organisationen arbeiten bei ihrem Einsatz eng mit den lokalen Behörden zusammen.

Don Bosco Network ist ein globales Bündnis von Don Bosco Nichtregierungsorganisationen (NRO). In Nothilfefällen werden Projekte gemeinsam geplant und umgesetzt.
 

Die Corona-Krise stellt unsere Partner in Indien vor große Herausforderungen. Pater Joy Nedumparambil SDB ist seit 2012 Direktor der Nichtregierungsorganisation BREADS in der indischen Metropole Bangalore. BREADS koordiniert mehr als 40 Sozialprojekte, vor allem für Frauen und Kinder. Im Interview erklärt er, warum Straßenkinder durch die Corona-Krise besonders gefährdet sind.

Wie geht es den Kindern und Jugendlichen in den Don Bosco Einrichtungen?
Den Kindern in den Zentren geht es soweit gut. Falls Verdachtsfälle von Corona-Infizierungen vorliegen, ergreifen wir im Haus sofort die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen. Wir sorgen dafür, dass einfache Erkältungen und Husten sofort behandelt werden. Zudem achten wir auf eine gesunde Ernährung, um das Immunsystem zu stärken. Wir haben nur wenig Platz, deswegen ist es schwierig, den notwendigen körperlichen Abstand einzuhalten. Alle Kinder tragen zum Schutz Atemmasken, die Frauen in Selbsthilfegruppen für sie genäht haben.

Was ist mit den Kindern, die noch auf der Straße leben?
Kinder, die jetzt noch auf der Straße leben, sind in einer besonders prekären Situation. Die meisten von ihnen sind körperlich geschwächt, haben Vorerkrankungen und können sich nicht vor dem Virus schützen. Wo wir konnten und uns sicher sind, dass sie gut untergebracht sind, haben wir die Kinder zu ihren Familien zurückgebracht. Manche sind in der Obhut der Polizei und in Notunterkünften. Diese sind allerdings in einem miserablen Zustand: Meistens ohne fließend Wasser und medizinische Versorgung. Da die Kinder nicht auf die Straße dürfen, können sie sich auch kein Essen besorgen. Sie sind auf Hilfe von außen angewiesen.

Dürfen die Sozialarbeiter noch auf die Straße gehen?
Wir haben Passierscheine von der Polizei bekommen, um Kindern und Jugendlichen auf der Straße in Not zu helfen und sie auch medizinisch zu versorgen. Und wir dürfen Essen und Hilfspakete zu bedürftigen Familien bringen. In Notfällen meldet sich die Polizei oder eine andere Anlaufstelle bei uns. Denn unsere Sozialarbeiter können ihre täglichen Erkundungsgänge zu den Bahnhöfen, Busbahnhöfen oder auf Märkten nicht mehr machen. Die Sozialarbeit auf der Straße ist praktisch vollends zum Erliegen gekommen. Wir versuchen vor allem sicherzustellen, dass keine minderjährigen Kinder alleine auf den leer gefegten Straßen unterwegs sind.

Was wird jetzt am Nötigsten gebraucht?
Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Ausgangsperren verlängert werden und dadurch noch mehr Menschen unsere Hilfe brauchen: Daher benötigen wir mehr Grundnahrungsmittel, Hygieneartikel und Material für Atemschutzmasken, um den nötigsten Bedarf der Familien zu decken. Mit finanzieller Hilfe könnten wir auch einen Thermoscanner anschaffen, um mögliche Infizierungsfälle früh zu erkennen und zu behandeln. Wir könnten auch sehr armen Menschen die Corona-Tests bezahlen. Je länger die Ausgangssperre dauert und Corona uns gefangen hält, umso wichtiger wird auch die psychologische Unterstützung.

Langer Weg zur Normalität

Die seelische Belastung, die Ängste und Unsicherheiten sind enorm. Deshalb werden viele Menschen psychotherapeutische Hilfe brauchen. Und wir möchten die Online-Angebote für die Kinder und Jugendlichen in den Schutzzentren ausbauen. Sie sollen auch in dieser Zeit weiterlernen können. Viele Menschen haben schon ihre Jobs verloren. Auch sie brauchen Unterstützung, damit sie überleben können. Der Wiederaufbau und Weg zur Normalität wird sehr lange dauern und viel Zeit kosten.

Das Interview wurde im April 2020 geführt.
 

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